Arbeiten bei Irro
von Jörg Wohlfeil
Lüchow. An ihre erste Busfahrt
können sich David Schulz und
Henrik Sattler noch gut erinnern.
„Es war dunkel, es hat geschneit,
ich war todesaufgeregt“,
sagt Sattler. „Das war schon sehr
abenteuerlich“, pflichtet ihm
Schulz bei. Aufregend? Abenteuerlich?
Eine Busfahrt?
Für die beiden jungen Männer
auf jeden Fall. Denn der Lüchower
Schulz und der Böseler
Sattler waren keine Fahrgäste.
Die beiden saßen vielmehr selbst
zum ersten Mal hinter dem großen
Lenkrad eines Busses und
beförderten Kinder und Jugendliche
durchs Wendland. Mit gerade
einmal 22 Jahren – und nur
wenige Tage, nachdem beide ihre
Führerscheinprüfung bestanden
hatten.
Schulz und Sattler sind seitdem
die jüngsten Busfahrer Lüchow-
Dannenbergs. Selbst niedersachsenweit
dürfte es nicht
viele andere geben, die in diesem
Alter in solch verantwortungsvoller
Position auf den Straßen
unterwegs sind. Denn eigentlich
ist ein Busführerschein erst mit
24 Jahren möglich. Es sei denn,
die Anwärter beantragen eine
Sondergenehmigung nebst medizinisch-
psychologischer Untersuchung
und einigen Beschränkungen
nach dem Bestehen
der Prüfung.
Etwa 80 Fahrstunden
absolviert
In ihrem Hauptberuf sind David
Schulz und Henrik Sattler Kfz-
Mechatroniker bei der Firma Irro
Verkehrsservice. Schulz kümmert
sich dort um den Bereich
Pkw-Technik mit Autos oder
Sprintern, Sattler hält größere
Nutzfahrzeuge wie die bis zu
15 Meter langen Busse in Schuss.
Noch während der Ausbildung
sei ihr Chef, Stefan Irro, auf sie
zugekommen und habe gefragt,
ob sie sich vorstellen könnten,
nach der Lehre den Busführerschein
draufzupacken. „Kein
Problem“, waren sich beide einig.
Während der Corona-Pandemie
mit Kurzarbeit und wegen
ihres Alters – beide waren erst 21
Jahre, als sie sich anmeldeten –
hat sich die Ausbildung mit einigen
bürokratischen Hürden
„übelst in die Länge gezogen“, erzählt
Sattler. Etwa drei Monate
lang büffelten beide in Vollzeit
Theorie, während der Corona-
Zeit habe das gut gepasst. Dazu
kamen jeweils rund 80 Fahrstunden
vor allem mit dem Fokus auf
das Handling der Busse. Wie ordne
ich mich ein? Wann muss ich
zwei Fahrstreifen benutzen, damit
ich überhaupt um die Kurve
komme? Zuerst sei der Respekt
groß gewesen, „allein wegen der
ungewohnten Dimension der
Fahrzeuge“, erzählt Schulz. Doch
daran habe man sich schnell gewöhnt,
„das macht schon Spaß“.
Auf ihre ersten Touren mussten
beide nicht lange warten.
Henrik Sattler übernahm in
Corona-Zeiten eine „Verstärker“-
Tour, als beim Schülertransport
oftmals ein zweites Fahrzeug eingesetzt
wurde, um die große Anzahl
von Kindern auf zwei Busse
aufzuteilen. Am Donnerstag
hatte er seine Prüfung bestanden,
am Freitag einen vorläufigen
Führerschein ausstellen lassen,
am Montag saß er im Bus.
„Was mache ich, wenn mich die
Kinder etwas fragen?“, wusste
der Böseler nicht, was ihn erwartet.
„Und die Ortsnamen, wo ich
hin musste, irgendwo hinter
Hitzacker, die hatte ich auch
noch nie gehört.“ Ähnlich abenteuerlich
erlebte David Schulz
sein Busfahrer-Debüt. Er hatte
seine Prüfung am Tag zuvor bestanden,
ehe er eine „Integra-
Tour“ übernahm und sämtliche
Fahrgäste von zu Hause abholte,
um sie zum Arbeiten nach Dannenberg
zu befördern.
Der Stellenwert
der Klimaanlage
Diese Flexibilität, wenn beispielsweise
reguläre Fahrerinnen
oder Fahrer kurzfristig ausfallen
oder wenn Spitzen wie bei
den Schulstoßzeiten abzufangen
sind, ist einer der Gründe,
warum Firmenchef Stefan Irro
den beiden jungen Männern die
zusätzliche Qualifikation ermöglicht
hat. Und er nennt weitere
Vorteile. „Es ist auch hilfreich,
wenn das Personal aus der Werkstatt
fahren kann und im Notfall
liegen gebliebene Fahrzeuge
selbst abholen kann.“ Außerdem
bekämen die Mechatroniker ein
besseres Gefühl dafür, was für
die Fahrer wichtig ist. „Wenn jemand
meint, die defekte Klimaanlage
kommt später dran, dann
aber selbst bei 30 Grad und Sonne
von vorne hinter der großen
Windschutzscheibe schwitzt,
dann bekommt eine funktionierende
Kühlung einen anderen
Stellenwert.“
Schulz und Sattler können als
Fahrer und Mechatroniker auf
solche Probleme künftig besser
eingehen. Und sie haben Lust auf
noch mehr fahrerische Möglichkeiten.
Schulz macht gerade den
Lkw-Führerschein, Sattler hat
ihn bereits in der Tasche. „Und
für den Motorradführerschein
habe ich mich auch angemeldet,
dann sind auf dem Führerschein
alle Lücken gefüllt“, lacht Sattler.
Quelle: Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 17. Juni 2022, Seite 4