Reisen
Von Judith Kahle
Schreyahn. „Das hört sich jetzt
vielleicht komisch an, aber Busfahren
passt wunderbar zum
Schreiben“, sagt die Schriftstellerin
Kerstin Lange und lacht.
Die 57-Jährige ist von Mai bis
Mitte Dezember Stipendiatin am
Künstlerhof Schreyahn, um an
ihrem erzählenden Sachbuch zur
ehemaligen innerdeutschen
Grenze zu arbeiten. Nebenbei
sitzt sie für das lokale Busunternehmen
Irro am Steuer, um die
Schülerinnen und Schüler im
Landkreis pünktlich zur Schule
zu bringen. „Schriftstellerinsein
ist eine ziemlich einsame Sache.“
Da geben ihr die Busfahrten die
nötige Bodenhaftung, oder wie
sie sagt: „die Verbindung zum
Rest der Welt“.
Kerstin Lange ist in Bremen
geboren und war lange in den
USA. „Ich bin auch gar nicht
richtig zurück, ich bin ein bisschen
zwischen den Welten“, sagt
Lange, die sich in beiden Ländern
– USA und Deutschland –
zu Hause fühlt und mal hier und
mal dort lebt. Sie habe als Reisebegleiterin
gearbeitet, fürs
„Vermont Public Radio“, als Busfahrerin,
berichtet Lange aus
ihrem bunten Leben. Währenddessen
habe sie schon immer geschrieben:
Heimat, Zugehörigkeit
und Landschaftsgeschichte
seien dabei ihre Kernthemen.
Auf den Spuren der
ehemaligen Zonengrenze
In ihrem Erstlingswerk rückt sie
nun eine Fahrrad-Expedition in
den Fokus, die sie selbst im Jahr
2017 entlang der ehemaligen innerdeutschen
Grenze unternahm.
Ihr gehe es darum,
Deutschland als Ganzes zu verstehen
und da komme man um
die Zeit der Teilung nicht herum.
Sie hat dazu Zeitzeugen entlang
der Grenze befragt, Erinnerungsorte
und Gedenkstätten
besucht, selbst Tiere und Pflanzen
vor Ort bestimmt. Ihr sei es
wichtig, mit ihrem Buch gerade
der interessierten Öffentlichkeit
in den USA die Zwischentöne
der deutschen Teilung zu zeigen.
Denn viele US-Amerikaner:
innen hätten zwar von der Berliner
Mauer gehört, nicht aber
von der streng bewachten Zonengrenze
mit ihrem Streckmetallzaun
quer durch Deutschland.
Das hat die 57-Jährige in
ihrer Wahlheimat beobachtet
und schreibt ihr Buch daher –
ganz auf ihre Zielgruppe zugeschnitten
– auf Englisch.
Die verbleibenden sechs
Wochen ihres Stipendiums will
sie, die ihre Zeit in Lüchow-Dannenberg
wegen der Ruhe und
Natur, der Kulturveranstaltungen
und seiner sympathisch eigensinnigen
Menschen sehr genießt,
für intensives Schreiben
nutzen.
Quelle: Elbe-Jeetzel-Zeitung vom 3. November 2021, Seite 4